ZAT 2019
Die jährliche Zentrale Arbeitstagung (ZAT) des BVTS richtet sich an die BVTS Mitglieder und weitere Multiplikator/innen, welche das Theater in der Schule strukturell und inhaltlich weiterentwickeln möchte. Damit befördert sie den Verbandsdiskurs zu aktuellen Themen. Sie wird in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater e. V. durchgeführt.
Spielend lernen - Bildendes Spiel
Saarbrücken 22. -24. November 2019
Vorbemerkung: Die Grundsatzpapiere zum Theater in der Grundschule, die auf der ZAT initiiert wurde, finden sich auch unter der Rubrik Service unter Postionen.
„Theater als ästhetischer Erfahrungsraum in der Primar- und Orientierungsstufe" stand im Fokus der ZAT des BVTS. Nachdem sich das Schulfach Theater in der Sekundarstufe II aufgrund der erfolgreichen Arbeit des Bundesverbandes in immer mehr Bundesländern etabliert, abgesichert durch entsprechende Beschlüsse der Kultusministerkonferenz bemüht sich der Verband nun schon seit einigen Jahren um einen entsprechenden Schritt in den Grundschulen: Theater als Fach in allen Schularten und allen Altersstufen ist das Ziel. Wie schon in der Oberstufe kommt ein entscheidendes Signal aus Hamburg, das Theater in der Primarstufe fest in der Stundentafel verankert hat.
Diesen Impuls aufzunehmen, daneben zu schauen, welche Modelle es in anderen Bundesländern gibt, und gemeinsam Wege zu entwickeln, wie es weitergehen kann, war Schwerpunkt der Tagung. Daneben hatte die Mitgliederversammlung des BVTS ihren Platz. Tagungsort war das Ludwigsgymnasium in Saarbrücken, wo die Kolleginnen und Kollegen aus dem Saarland alles perfekt vorbereitet hatten und die Teilnehmer*innen aus dem ganzen Bundesgebiet freundlichst versorgten, sie zwischendurch sogar mit dem Power-Rap einer Grundschulklasse überraschten. Ein Theaterbesuch im Kinder- und Jugendtheater Überzwerg rundete die Tagung ab. „Die Werkstatt der Schmetterlinge" nach einem Bilderbuch von Gioconda Belli und Wolf Erlbruch zeigte sehr poetisch, welche Möglichkeiten sich kindlicher Phantasie im Theaterspiel eröffnen können.
Mit einer Performance des saarländischen Qualifizierungskurses zum Darstellenden Spiel wurde die Tagung eröffnet, bevor in zwei Vorträgen noch einmal der theoretische Rahmen skizziert wurde. Prof. Tanja Meyer aus Flensburg forderte in ihrem Vortrag dazu auf zu reflektieren, welches Kindheitsbild zugrunde liegt, wenn wir über „Kinder im Theater/Spiel" sprechen. „Kindheit" ist immer auch eine Konstruktion, die in einem speziellen historischen und kulturellen Rahmen gültig ist. Sich dies bewusst zu machen, scheint wichtig bei der Forderung nach Verstärkung und Ausgestaltung ästhetischer Bildung, speziell des Theaters.
Prof. Wolfgang Sting aus Hamburg begründete dann in seinem Vortrag, warum es eigentlich selbstverständlich sein sollte, dass gerade Kinder im Grundschulalter die Chance haben sollten, Theater zu spielen. Zum einen ist die Grundschule die Schulart, in der noch Kinder aus den verschiedensten Milieus zusammen sind und wo Theaterspiel viel zur Integration beitragen kann. Zum anderen ist das Spiel in diesem Alter ja noch das ganz Selbstverständliche und kann leicht aufgegriffen werden im künstlerischen Fach. In anderen, kognitiven Fächern geht diese Fähigkeit zum Spiel leicht verloren, im Fach Theater wird sie in offenen Prozessen stattdessen weiterentwickelt. Die Offenheit mit Mut zum Risiko demonstrierte Wolfgang Sting am Ende ganz eindrucksvoll, als er die letzten Minuten seines Vortrags auf dem Kopf stehen hielt.
In den Workshops am Vormittag des zweiten Tages ging es dann um entsprechende Konkretisierungen. „Der Unterricht im Fach Theater fördert mit Mitteln der darstellenden Künste die sinnliche Wahrnehmung, das ästhetische Empfinden und Verstehen. Sein Schwerpunkt liegt auf der praktischen Erprobung theatraler Möglichkeiten und der Reflexion ihrer Wirkungen": So steht es im Hamburger Rahmenplan für Theater in Grundschulen. Im Workshop von Johanna Vierbaum wurde die Realisierung dieses Anspruchs gezeigt und diskutiert. Wie werden bestimmte Inhalte und Kompetenzen im Unterricht vermittelt, welche Spielaufgaben eignen sich für Kinder im Grundschulalter? Die Erfahrungen aus der Hamburger Praxis mit einem Fach Theater waren dabei sehr hilfreich.
Dass ein Fach Theater in der Grundschule bisher nur in Hamburg möglich war, heißt nicht, dass nicht auch in anderen Bundesländern sich etwas bewegt. Der Workshop zu Theaterklassen in der Grundschule in Bayern konnte zwar leider nicht stattfinden. Es wurde aber angeboten, dass Informationen an alle Landesverbände verschickt werden und dort abgerufen werden können. Dies gilt im Übrigen auch für ein Projekt, dass der LVTS Baden-Württemberg durchgeführt hat.
„Theater für ALLE!", so heißt die Forderung, die in Hessen in Bezug auf die Grundschule aufgestellt wurde. Katja Pahn und Kolleginnen stellten in ihrem Workshop vor, wie sie dies in ein Modellprogramm umgesetzt haben. 16 Schulen sind zurzeit einbezogen. Qualifizierte Coaches gehen an einem Tag in der Woche in die Modellschulen, die sich vertraglich verpflichten müssen, nicht nur Raum und Unterrichtszeit für die Arbeit zur Verfügung zu stellen, sondern auch z. B. Lehrkräfte für Weiterbildungsmodule freizustellen, so dass immer mehr qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen. Die Coaches vereinbaren mit den Kollegien Zielsetzungen, ob es etwa um ein Schulprojekt gehen soll oder um Theatermethoden im Fachunterricht oder um Hilfen bei Inklusion und Integration. Es geht also nicht zwingend um ein spezielles Fach Theater.
Qualifizierung für ein Fach Theater/Darstellendes Spiel möglichst schon im Lehramtsstudiengang war Thema des Workshops von Tanja Meyer, die an der Europa-Universität Flensburg lehrt. Wie sollte ein Curriculum aussehen, welche Mindeststandards müssen erreicht werden für das Theaterspielen mit Kindern. Dabei wurden sowohl die Überlegungen aus dem Eröffnungsvortrag noch einmal aufgenommen als auch Bezug genommen auf den Hamburger Rahmenplan. Langfristiges Ziel muss es selbstverständlich sein, nicht nur das Fach durchzusetzen und dann Lehrerinnen und Lehrer dafür weiterzubilden, sondern es müssen grundständige Studiengänge eingerichtet werden, wofür es aber bis jetzt nur Ansätze gibt.
„Wege zur Implementierung des Fachs" am Beispiel Hamburgs zeigte Heinz Grasmück in seinem Vortrag. Interessanterweise geschah dies aus der Perspektive einer Behörde. Schulbehörden, Ministerien werden in den meisten Bundesländern nur als Verhinderer und Blockierer wahrgenommen. Aus dem Hamburger Beispiel kann gelernt werden, dass man einerseits natürlich Menschen in der Behörde braucht, die offen sind für neue Ansätze. Diese können aber auch gewonnen werden durch beharrliche Arbeit, wie sie in Hamburg vom Landesverband über Jahrzehnte geleistet wurde. Die Ergebnisse der Arbeit müssen aber auch sichtbar werden. z.B. bei Festivals und anderen öffentlichen Anlässen. es müssen Gelegenheiten sein, bei denen sich dann auch Minister und Ministerinnen zeigen können… Damit es auch wirklich vorwärts geht, wurde eine „roadmap" vorgelegt und diskutiert, die eine ganze Reihe von Punkten enthält, die im überschaubaren Zeitraum in den einzelnen Bundesländern abgearbeitet werden sollen. Eine große Konferenz soll dann in zwei Jahren Ergebnisse zeigen. Angesichts der doch sehr großen Unterschiede zwischen den Bundesländern ein ehrgeiziges Ziel!
In der Mitgliederversammlung des BVTS ging es neben den üblichen Regularien u. a. um eine Erhöhung der Beiträge der Landesverbände pro Mitglied an den Bundesverband, das ist nötig, weil die Finanzierung der Geschäftsstelle durch die Stiftung Mercator ausläuft. Dass der Bundesvorstand und die Geschäftsstelle gute Arbeit leisten, war dabei in keiner Weise umstritten, aber für einige Landesverbände ist es aufgrund ihrer Struktur und ihrer finanziellen Situation sehr schwierig, diese Beiträge aufzubringen. In der Hoffnung, dass es hier Lösungen geben kann, wurde der Antrag des Bundesvorstandes dann mit deutlicher Mehrheit angenommen. Bei der Wahl des Vorstandes gab es eine Veränderung: Tonio Kempf aus Hamburg ersetzt Gunter Mieruch in der Doppelspitze mit Ulrike Mönch-Heinz. Die anderen Vorstandsmitglieder wurden mit klaren Mehrheiten im Amt bestätigt.
Ein emotionaler Höhepunkt der diesjährigen Tagung war die Verabschiedung von Gunter Mieruch. Er hat über Jahrzehnte - und das ist nicht übertrieben - die Arbeit des BVTS mitgetragen und geprägt, z.B. auch die Arbeitstagungen inhaltlich verantwortet. Seine Verdienste um das Schultheater können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dass es auch ein großer persönlicher Verlust sein wird, wenn Gunter Mieruch ausscheidet, wurde in der kleinen Abschiedsfeier für ihn deutlich, die – standesgemäß – im Theater Überzwerg nach der Aufführung für ihn gestaltet wurde. Es bleibt zu hoffen, dass er dem Schultheater aus einem entspannten Ruhestand heraus mit seinem weisen Rat zur Verfügung stehen wird.
Klaus Wegele, aus: SPIEL & THHEATER, Nr. 205, April 2020, S. 40 f.
Hier das Programmheft und der Bericht zum ZAT 2019 als PDF zum Herunterladen.

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